Es ist reiner Zufall: auch im GA ist heute ein Interview mit Ute Pilger. Wir haben unser Interview am Donnerstag geführt und dann ist uns leider die neue Corona-Schutzverordnung dazwischengekommen….. Daher erst jetzt die Veröffentlichung.
Frage: Du bist ja 2019 als neue Vorsitzende des SSB angetreten – als Nachfolgerin von Michael Scharf. Das waren große Fußstapfen?? Hast Du reingepasst…???
Antwort: Von der anatomischen Größe unserer Füße betrachtet eher nicht! Allerdings war und ist dies nie mein Ziel gewesen. Jeder sollte seine eigenen Fußabdrücke hinterlassen. Ich freue mich, wenn irgendwann mal gesagt wird, die Fußabdrücke von Michael Scharf und Ute Pilger haben dem Bonner Sport viel geholfen.
Frage: Frauen als Vorsitzende eines Stadtsportbundes sind ja eher selten. Wie überhaupt Frauen in Vereinsvorständen. Man hört ja immer so einiges – sie sollen es in den männerdominierten Gremien bei so vielen Alphatieren nicht einfach haben – auch im Vorstand des SSB sind ja jede Menge älterer Herren…… Deine Erfahrung – auch beim SSF als Verein – oder sind SSF und SSB da nicht nur fast namensgleich??
Antwort: Diese Frage ist mir schon öfters einmal gestellt wurden. Bei uns im Vorstand engagieren sich 4 Frauen und 6 Männer. Ein solches Verhältnis ist auch in der heutigen Zeit nicht die Regel. Ein Grund könnte sein, dass Frauen oftmals einen hohen persönlichen Anspruch an die Ausübung eines Ehrenamtes haben. Wenn sie dann glauben, diesen nicht gerecht zu werden, verzichten sie lieber. Meine Eltern haben meiner Schwester und mir immer vorgelebt, wie wichtig es ist, sich in der Gesellschaft einzubringen. Da spielte das Geschlecht nie eine Rolle. Bei allen meinen ehrenamtlichen Tätigkeiten habe ich bisher nie das Gefühl gehabt, als Frau nicht gleichberechtigt zu sein. Im Wort „Ehrenamt“ steckt das Wort „Ehre“ – das sollten Männer und Frauen niemals vergessen.
Frage: Rückblickend auf die beiden ersten Jahre: was hat Dich am meisten überrascht???
Antwort: Positiv hat mich der Zusammenhalt der Bonner Sportvereine überrascht. Bedingt durch mein Ehrenamt habe ich ganz bewusst die Schwimmbrille einmal ausgelassen und bin überrascht, wie zahlreich in Bonn die Möglichkeiten sind Sport zu treiben.
Negativ überrascht hat mich, wie schwierig es für Teile der Politik ist, Sachentscheidungen zu treffen. Leider ist die Konkurrenz zwischen den Stadtbezirken auch mehr als 50 Jahre nach der Gebietsreform immer noch viel zu groß.
Frage: Und vielleicht ein persönliches Highlight??
Antwort: Die Umsetzung des Landesprojekts „Moderne Sportstätten 2022“ durch die Bonner Sportvereine. Trotz der aktuellen Schwierigkeiten haben die Vereine für die Zukunft geplant. Das erzeugt viel positive Energie innerhalb der Stadtgesellschaft.
Frage: Corona ist ja für viele Vereine ein großes Problem – vermutlich das größte Problem in der Geschichte des Sports. Kannst Du den Lesern Hoffnung machen – davon leben ja gerade die Vereine?? Oder bist Du eher bei Karl Lauterbach – erst öffnen, wenn es keine Infizierten mehr gibt???
Antwort: Obwohl die Wissenschaft in den letzten 12 Monaten sehr viel über das Virus erforscht hat, ist es uns immer noch viele Schritte voraus. Es wird noch auf unbestimmte Zeit unseren Lebensrhythmus bestimmen und wir werden nur Schritt für Schritt lernen, mit dem Virus zu leben. Die Hoffnungen in die Impfung waren viel zu hoch und diese Enttäuschung spiegelt sich jetzt immer mehr in der verständlichen Ungeduld der Menschen wieder. Ich glaube dies müssen auch die Sportvereine ganz nüchtern betrachten. Es ist gut, dass der Sport hier Verantwortung übernimmt und der Gesundheitsschutz an oberster Stelle steht. An Diskussionen, wie Äußerungen einzelner Personen zu beurteilen sind, möchte ich mich nicht beteiligen. Es gibt leider nicht den einen richtigen Weg, aber die Gefahr ist riesig und Vorsicht das Gebot der Stunde.
Frage: Vielleicht kannst Du den Lesern erklären, warum Individualsport wie Tennis in NRW verboten ist, aber in anderen Bundesländern, die an NRW grenzen, erlaubt ist?? Gibt es dafür eine logische Begründung??
Antwort: Eine logische Erklärung habe ich dafür auch nicht. Deutschland ist ein föderaler Staat und in welcher Form Sport ausgeübt werden darf liegt in der Hoheit der Landesregierungen. Ganz sicher würde ein gemeinsames Handeln der Ministerpräsidenten die Akzeptanz für viele Corona Maßnahmen deutlich verbessern.
Frage: Oft hört man: der Sport ist zu ruhig – vom Sport hört man ja gar nichts. Als Gegenbeispiel die Friseure: die haben eine bundesweite professionelle Social Media Kampagne gestartet – mit Erfolg. Dagegen ist der organisierte Sport da ja eher sehr zurückhaltend. Kann es daran liegen, dass sich im organisierten Sport irgendwie alle kennen und duzen und man will niemand auf die Füße treten. Auch um die Zuschüsse nicht zu gefährden???
Antwort: Ganz sicher werden sich auch viele Friseure gut kennen und sich duzen. Das „Du“ gehört im Sport zur gelebten Praxis und symbolisiert, dass es keine Ausgrenzung gibt, egal wo man her kommt oder wer man ist. In den ersten Wochen der Pandemie spielte Sport bei den Entscheidungen kaum eine Rolle, in der Zwischenzeit hat sich einiges getan. So sind alle Bundesleistungsstützpunkte geöffnet und das Training an den Landes Leistungsstützpunkten findet auch statt. Profisport ist erlaubt und Ligasport darf begrenzt stattfinden. Das hilft leider nur einer Minderheit von Sportlern*Innen und die große Mehrheit muss leider noch warten. Für laute und leider nicht immer kluge Worte ist im Sport besonders der Profifußball bekannt. Der organisierte Sport ist deshalb aber nicht untätig. So hat der LSB NRW gemeinsam mit den Vereinen einen Stufenplan zur Rückkehr in den Trainings und Wettkampfbetrieb erarbeitet, dabei hat der Kinder und Jugendsport Vorrang. Darüber gibt es intensive Gespräche mit der Landesregierung und den zuständigen Stellen. Ich wünsche mir, dass es über diesen Weg möglich wird, von einem kompletten Lookdown weg zu kommen. Stattdessen sollte ein Konzept erarbeitet werden, dass für die unterschiedlichen Pandemielagen mit festen Kriterien beschreibt, in welcher Weise Sport und Freizeitaktivitäten möglich sind. Bleiben wir bei den Friseuren. Hier tun alle das Gleiche und egal wie groß die Räumlichkeiten sind. Mit klaren Regeln zur Abstandshaltung und Hygienevorschriften ist das Risiko sehr überschaubar. Das Problem beim Sport ist seine Vielfältigkeit. Die unterschiedlichen Möglichkeiten in den Trainingsstätten da kann es leider nicht eine Lösung für alle geben.
K.M.