Wir haben ganz aktuell mit Bernd Seibert, dem Geschäftsführer des SSB, ein Interview zur Lage des Sports nach den Beschlüssen NRW von Freitag geführt. Bernd ist 54 Jahre und seit 2015 Geschäftsführer des SSB.
Frage: Zunächst: Du warst ja mal lange Geschäftsführer bei RW Köln und bist dann zum Rheinischen Turner Bund gewechselt. Den Kulturschock mittlerweile überwunden??
Antwort: Den Kulturschock hatte ich vor 34 Jahren, als ich aus meiner süddeutschen Heimat in Karlsruhe zum Sportstudium nach Köln gekommen bin. Inzwischen liebe ich das Rheinland, die Art zu leben, zu genießen, zu feiern, und die vielzitierte „et hätt noch immer jot jejange“- Mentalität hilft uns sicherlich auch im Moment ein Stückweit durch die Krise. Und ob es dann Köln oder Bonn ist – das macht für mich keinen Unterschied.
Frage: Du bist ja selber Tennisspieler in Brauweiler und spielst bei den Herren 50. Auch wenn Du nicht ganz an das Niveau des Ex-BTHV Geschäftsführers ran reichst. Eigentlich bist Du ja Handballer – das muss dann wohl der umgekehrte Kulturschock gewesen sein…
Antwort: Das Niveau auf dem Platz kannst du nicht meinen, zumindest habe ich von unserem letzten Match eine andere Erinnerung. Wenn du das Niveau an der Theke meinst, sollten wir das nochmal testen … Aber Spass beiseite. Handball ist ja doch eine sehr körperbetonte Sportart, und da gibt es halt irgendwann einfach biologische Grenzen. Wenn du am Sonntagabend nach einem Handballspiel mit Schmerzen nach Hause kommst und von deiner Familie kein Mitleid mehr erntest, dann ist es an der Zeit, was Neues zu suchen. Und mit Tennis habe ich für mich hierfür die ideale Sportart gefunden.
Frage: Seit Tagen warten wir auf die neue Schutzverordnung. Und wie immer wurden wir nicht enttäuscht – Freitag Mittag. Die Vereine haben dann ja immer Riesenstress, alles umzusetzen, so jetzt auch der BTHV, man weiss nie, ob man Camps ggf. kurzfristig absagen muss, die Eltern anderweitig planen müssen und der Gastronom….. Warum kommen diese Verordnungen eigentlich immer so spät, kurzfristig und vor dem Wochenenende??
Antwort: Die Frage musst du in Richtung Düsseldorf stellen. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Verordnungen bisher immer an einem Sonntag abgelaufen sind und die neuen Regelungen dann zum Wochenbeginn in Kraft treten. Und dann wird halt jede Sekunde genutzt, an der jeweils neuen Verordnung zu formulieren.
Frage: Die Sportanlagen unter freiem Himmel dürfen geöffnet bleiben. Ein Erfolg für den Sport oder war damit zu rechnen?
Antwort: Nein, damit konnte man nicht unbedingt rechnen. Aber offensichtlich ist inzwischen in Düsseldorf angekommen, dass der Sport nicht der Treiber der Pandemie ist, was nicht heißen soll, dass sich im Sport niemand infizieren oder das Virus verbreiten kann. Aber offensichtlich hat man inzwischen erkannt, dass es abzuwägen gilt zwischen den (gesundheitlichen) Kollateralschäden, die der Stillstand gerade bei Kinder und Jugendlichen bedeutet, im Gegenzug zu den Risiken der Pandemie. Und offensichtlich hat der organisierte Sport endlich Gehör gefunden, was mich persönlich sehr freut.
Frage: Also dürfen wir jetzt auch wieder Tennisspielen unter Einhaltung der Hygieneregeln??
Antwort: Grundsätzlich ja, wie zuletzt mit max. 5 Personen aus zwei Haushalten. Aber neu ist eine sogenannte Corona-Notbremse, wenn der Inzidenzwert in einer Kommune dauerhaft über 100 liegt, dann wird reduziert auf max. zwei Personen, also dann darf nur noch Einzel gespielt werden. Ich halte das für richtig und es zeigt, dass der Sport verantwortungsvoll mit der Situation umgeht.
Frage: Trotzdem wird es für den Sport insgesamt jetzt langsam eng durch den erneuten Lockdown. Wie lange glaubst Du, hält der Sport das noch durch??
Antwort: Es wird nicht nur für den Sport – es wird für alle eng. Aber Sportler haben gelernt, bis zum letzten Punkt zu kämpfen. Aufgeben gibt´s nicht. Und diese Tugend kommt uns jetzt zu Gute. Wir werden durchhalten, und wer weiss – vielleicht gehen wir sogar gestärkt aus dieser Krise hervor. Viele konnten (oder mussten) sich mal wieder die Zeit nehmen, über Dinge nachzudenken, die man vor der Krise in der Alltagshektik ausgeblendet hatte. Und plötzlich bekommt man ein Gefühl dafür, was wirklich wichtig ist im Leben…
Frage: Das ist zwar schön formuliert, aber bekanntlich kann ein Verein nicht alleine von Luft und Liebe leben. Es gilt nämlich auch: ohne Moos nichts los. Für die Mannschaftssportarten sieht es ja düster aus – es droht der erneute Ausfall einer Saison. Die Einnahmeverluste in anderen Bereichen sind ja gewaltig und werden immer größer. Dann davon zu reden, dass die Vereine gestärkt hervorgehen, scheint doch sehr vermessen und hinterlässt ein bisschen den Eindruck – die Funktionäre weit weg von der Basis!!
Antwort: Nein, ich denke, ich bin nicht weit weg von der Basis. Natürlich sehe ich, dass es Vereine geben wird, die Unterstützung brauchen. Und wir werden versuchen, im Rahmen unserer Möglichkeiten zu helfen Aber verglichen mit dem, was der Einzelhandel, die Gastronomie, die freie Kunst- und Kulturszene und vor allem die Eventbranche für Einbußen zu verzeichnen hat, weiss ich nicht, ob es dem Sport schlechter geht. Ich will ja nichts schönreden, aber dieses Virus hat sich nunmal niemand ausgesucht und es gibt keinen Schuldigen dafür. Wir können nur versuchen, das Beste draus zu machen.
Frage: Was wünscht Du Dir für den Sport in Bonn, wenn wir denn irgendwann diese Krise überwunden haben und wir zum sportlichen Alltag zurückkehren können?
Antwort: Dann wünsche ich mir, dass Stadtverwaltung und Politik erkennen, was der organisierte Sport mit seinen 80.000 Vereinsmitgliedern in Bonn für die Stadtgesellschaft in den Bereichen Prävention, Gesundheit, Integration und im Ehrenamt leistet und diese Arbeit endlich dahingehend wertschätzt, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen hierfür geschaffen werden. Der Zustand unserer Bäder und der kommunalen Sportstätten ist erbärmlich, und die auf den Weg gebrachten Konzepte, für die es größtenteils ja auch schon politische Beschlüsse gibt, müssen jetzt endlich umgesetzt werden.