Sport ist nicht das Problem, sondern die Lösung – ein Kommentar aus der ZEIT

Der Breitensport muss weiter auf Lockerungen und konkrete Pläne warten, er bleibt fast komplett verboten. Das muss aufhören, es ist gefährlich und wird Leben kosten.

Vielleicht wäre es für Sportvereine an der Zeit, eine Abteilung für Haarschnitte zu gründen. Das gäbe mehr Perspektive als das Warten auf Lockerungen. Friseure werden bald öffnen, dem Einzelhandel wurde ein Angebot gemacht. Der Sport aber wurde wieder vertröstet. Die Sportminister hatten vor dem Kanzlerin-Ministerpräsidenten-Treffen am Mittwoch vergeblich auf Lockerungen gedrängt. Eine Arbeitsgruppe wurde eingerichtet. Das ist nicht viel mehr als eine gut gemeinte Absichtserklärung, eigentlich ist es nichts. Und nichts ist nicht gut. 

Der Sport war in zwölf Monaten mit dem Coronavirus häufiger im Lockdown, als dass er geöffnet war. Dabei ist er systemrelevant. Kinder brauchen ihn, Senioren brauchen ihn, Mütter brauchen ihn.

Für manche wird es zu spät sein

Die wirtschaftlichen, aber auch die gesundheitlichen Kosten, die der Sport-Lockdown mit sich bringt, sind mittlerweile hoch. Vor allem die beiden Enden der Alterspyramide sind betroffen. Kinder im entscheidenden Alter ihrer Persönlichkeitsentwicklung werden seit Monaten nicht von Bewegung geprägt. Sie suchen sich Alternativen, meist Tablets, Konsolen oder Smartphones. Forscher und Trainerinnen warnen seit Monaten davor, Kinder und Jugendliche an die Playstation zu verlieren.

Sie irgendwann wieder von den Vorzügen des Sports zu überzeugen wird eine enorme Aufgabe. Für manche wird es zu spät sein, es gibt biologisch nur begrenzte Abschnitte, die für die Entwicklung eines Körpers entscheidend sind. 

Und Senioren, die Sport als physische und psychische Vergreisungprävention nutzen, werden gerade immobiler und antriebsloser. Sie altern schneller, “wir produzieren gerade noch mehr Pflegebedürftige”, sagt Ingo Froboese von der Deutschen Sporthochschule in Köln, “viele Menschen werden nicht austherapiert sein, weil der Reha-Sport wegfällt”.

Sport auf Abstand ist möglich

Es stimmt ja einerseits: Wer den Menschen wie in den vergangenen Wochen jeden Anlass nehmen will, sich zu begegnen, muss auch den Sport verbieten. Angesichts der Mutationen des Virus ist weiterhin Vorsicht geboten. Speziell in Städten sind die Anfahrtswege zum Training ein Problem, niemand kann die Garantie geben, dass es dort nicht zu Ansteckungen kommt. Doch wer sieht, wie zaghaft Empfehlungen an Arbeitgeber gemacht wurden, wenn es denn irgendwie geht, bitte und eventuell auf Homeoffice umzustellen, erkennt unterschiedliche Maßstäbe. Die Kosten, den Sport jetzt noch immer zu verbieten, übersteigen den kurzfristigen Nutzen.  

FABIAN SCHELER

Redakteur im Ressort Sport & Podcast Host

 

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